Harte Schale, nicht ganz perfekter Kern: GIGASET GX290, das Fast perfekte Outdoor-Handy
Etwas vorweg: Ich bin Produkttester und versuche gemeinsam mit meiner Frau und unserer Tochter alle Produkte von vornherein kritisch und unvoreingenommen zu bewerten. Wir geben uns dabei immer große Mühe so objektiv wie nur möglich zu sein. Eine Fünf-Sterne-Bewertung muss sich ein Produkt definitiv verdienen, und bekommt diese nicht nur, weil uns das Produkt für den Test kostenlos zur Verfügung gestellt wurde.

Was muss ein Smartphone heute alles bieten, um ein Top-Produkt zu sein? Ein gutes Display, eine gute Kamera, einen schnellen Prozessor, einen leistungsstarken Akku, Entsperren mit Fingerabdrucksensor oder Gesichtserkennung und ein topaktuelles Betriebssystem. Okay, wasserdicht ist heute auch quasi schon Standard und natürlich schnelles Laden via USB-C. All das beherrscht das GIGASET GX290 nahezu perfekt. Klar, das Display könnte statt des verbautem HD+ Panels mit 1560*720 Pixel ein noch besseres OLED Full-HD oder QHD-Display sein, das würde auf dem Papier noch besser klingen und in der Realität auch ein noch besseres Bild bedeuten. Aber ganz ehrlich: Das braucht dieses Handy gar nicht. Denn es hat dafür ein HD+ auflösendes leuchtstarkes IPS-Panel mit ausreichend scharfer aber dafür eben extrem heller (knapp 640 Candela) Anzeige. USB-C mit 15W-Schnellladen hat es ebenfalls, und dazu einen riesigen – ja fast auf dem Markt verglichen gigantischem – 6200 mAh Akku, der sollte tagelang halten. Und das tut er im Alltag auch, dafür muss man eben auch ein schwereres und globigeres Gerät akzeptieren. Bisher hätte das Telefon also volle 5 Sterne verdient, und das obwohl es eben kein Highend-Oberklasse-Smartphone ist. Das Betriebssystem ist nahezu aktuell, direkt nach dem Auspacken wurde ein Andorid 9 Update installier, aber hier kommt schon der erste kleine Minuspunkt: Der aktuelle (Anfang Dezember 2019) Stand der Sicherheitsupdates steht leider nur beim 5. September 2019. Das müsste defintiv besser sein, läuft doch ein fast unverändertes Android 9.0 Pie auf dem Gerät. Im Gerät verbaut ist laut Hersteller ein Octa-Core Prozessor. Wer da jetzt aber an einen topaktuellen Snapdragon Prozessor mit guter Performance denkt, der wird enttäuscht. Der Hersteller gibt leider nirgends an, welcher SoC verbaut ist, aber die allgemeine Systemperformance zeigt im Alltag leider, dass toll klingende Angaben im Datenblatt eben nicht immer auch wirklich Highend sind. Das bitte jetzt nicht falsch verstehen, trotz kleinerer Ruckler und längeren Ladezeiten ist dieses Telefon völlig alltagstauglich. Aber selbst im Vergleich mit einem zwei Jahre alten Topklasse-Smartphone ist es eben trotzem langsamer. Recherchen im Internet haben ergeben, dass der Mediatek Helio P23 Achtkern-Prozessort mit einem Takt von 2 GHz verbaut ist. Dazu gibt es 3 GB Arbeitsspeicher, nicht sehr viel, aber eigentlich auch nicht zu wenig. Aber wenn man sich jetzt wieder in Erinnerung ruft, dass dieses GX290 als Outdoorhandy eben viele andere Vorteile mit sich bringt, und wenn man die ein oder andere Gedenksekunde verschmerzen kann, ist es trotzdem eine gute Wahl, nur eben nicht die allerschnellste.

Ich habe das Gerät mehrere Wochen als meinen Daily-Driver in meinem Alltag genutzt. Das ging problemlos, einfach die SIM-Karten aus meinem alten Smartphone in das GX290 gesteckt. Das ging dank Dual-SIM-Funktion problemlos mit meiner privaten und meiner dienstlichen SIM-Karte. Einziges Problem: Nutzt man zwei SIM-Karten, hat man keinen Platz mehr für eine Speicherkarte. Das ist aber bei vielen anderen Smartphones ähnlich gelöst, daher kein wirklich negativer Punkt. Positiv anzumerken ist auf jeden Fall auch der zuverlässig funktionierende Fingerabdrucksensor sowie die Möglichkeit, das Gerät auch per Gesichtserkennung zu entsperren. Letzeres funktionierte nicht ganz so zuverlässig, so dass ich im Alltag eher den auf der Rückseite befindlichen Fingerabdrucksensor genutzt habe. Was ich quasi täglich nutzte, war das Wireless Charging. Ja richtig gelesen, das Telefon kann trotz des dicken Schutzgehäsues aus TPU drahtlos aufgeladen werden. Das verdient ein ausgesprochenes Lob und ist im Alltag sehr nützlich. Apropos aufladen: Gigaset liefert – auch sehr löblich – ein schnellladefähiges Netzteil (5V: 3A, 9V: 2A, 12V: 1,5A) mit. Damit ist das Telefon in rund dreieinhalb Stunden wieder voll aufgeladen, was auf den ersten Blick etwas lange wirkt, aber wenn man die riesige Akkukapazität von rund 6.000 mAh in Betracht zieht, ein guter Wert ist.

Der für mich in diesem Test leider enttäuschendste Punkt ist leider der Teil eines Smartphones, der heute immer wichtiger wird: Die Kamera. Verbaut ist eine 13 MP + 2 MP Dual Kamera – laut Herstellerwerbung „für beste Qualität“. Der Werbespruch „Perfekte Bilder dank der Sony Sensor und ArcSoft Optimierung“ ist dann eben doch leider eher nur ein Werbespruch, wie mein Alltagstest in allen möglichen Situationen immer wieder zeigte. Die Kamera-App reagiert sehr träge und braucht einige Sekunden, ehe sie gestartet ist. Da kann der Schnappschussmoment schon wieder vorbei sein. Auch das Umschalten der zahlreichen Kamerafunktionen (Foto, Profi-Mods, HDR, Nachtaufnahme, Superklare Bildqualität, Verschönerung und natürlich Video-Modus) dauert immer etwas. Und auch der Autofokus reagiert – vor allem bei schwächeren Lichtverhältnissen – oftmals träge oder schafft es überhaupt nicht das Bild scharf zu stellen. Vielleicht ist das alles mit zukünftigen Firmwareupdates zu beheben, aber zum Zeitpunkt meines Tests war es teils eher enttäuschend. Auf dem hiesigen Weihnachstmarkt habe ich in diversen Modi versucht unsere Tochter auf einem Kinderkarussell zu fotografieren. Aus 20 Bildern war nicht ein einziges scharf. Schade. Bei Tageslicht oder gar Sonnenschein kommen oftmals natürlich brauchbare Fotos raus, aber auch bei dunkleren Lichtverhältnissen sollte es wenigstens halbwegs funktionieren. Der eingebaute Nachtmodus fertigt zu künstliche Bilder, auch die AI-Funktionen der Kamera, die beispielsweise für einen Portrait-Modus sorgen, sind oftmals zu künstlich oder übertrieben, aber immerhin halbwegs brauchbar. Von dem prominent beworbenen Sony-Sensor und eben der ArcSoft Optimierung hätte ich aber defintiv mehr erwartet, vor allem weil der Hersteller ja „perfekte Bilder“ verspricht. Und ganz ehrlich: Was nützt mir dann mein ansonsten tolles und vor allem ausdauerndes Outdoorhandy, wenn ich auf einer Reise oder Wanderung die schönsten Erinnerungen dann nicht in schönen Fotos ablichten kann? Hier muss der Hersteller unbedingt noch nachbessern. Für mich war die schlechte Kamera-Performance der Grund für den Abzug eines Sterns in der Gesamtbewertung. Und wenn wir schon bei den negativen Punkten sind: Dass das Gerät keinen Stereolautsprecher bietet wäre zu verkraften, aber dass der nur mittelmäßig und relativ leise klingende Lautsprecher dann auch noch auf der Rückseite verbaut wurde, und man ihn beispielsweise beim Videoschauen unwillkürlich mit der Hand verdeckt und dabei den Sound noch schlechter macht, ist sehr schade. Aber immerhin verbaut der Hersteller unter der wasserfesten Schutzklappe neben dem USB-C Ladeanschluss noch einen Kopfhöreranschluss. Damit steht dem Musikgenuss bei einer Wanderung also auch nichts mehr entgegen.

Zusammenfassend kann man also sagen: Das GIGASET GX290 bietet neben viel Licht auch einiges an Schatten. Aber dafür eben vor allem für Reise-, Sport- und Outdoorfans eben auch sehr vieles, was andere entweder gar nicht oder nicht in diesem Gesamtpaket bieten: IP68-zertifizierte Wasserdichtigkeit, riesiger Akku, robustes und fallsicheres Gehäuse, großes Display, Schnellladefunktion.

Übrigens: Gigaset geht nicht nur bei Gehäuse und Ausstattung mit dem GX290 andere Wege als viele andere Hersteller, sondern auch bei der Verpackung. Diese ist nachhaltig und besteht aus Grasfasern und Altpapier, ist damit vollständig recyclebar. Das ist eine lobenswerte Initiative, der hoffentlich viele Hersteller im Bereich Elektronik noch folgen werden.
Mein Fazit nach mehreren Wochen Alltagstest: Das GIGASET GX290 ist ein zuverlässiger Alltagsbegleiter und bietet alles, was ein Smartphone bieten muss. Manches eben – sprichwörtlich – mit Ecken und Kanten. Wer ein schweres aber dafür ausdauerndes, wasserdichtes Gerät sucht und dafür Abstriche bei Display, Performance und leider vor allem auch der Kamera machen kann, der ist mit dem GX290 bestens bedient. Und das zu einem durchaus fairen Preis.